(Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld
In der vergangenen Woche gab es in der ÖV-Branche gleich zwei Meldungen: Die Allianz pro Schiene hat Dennis Reichow von der Universität Bremen in den Ring geschickt, um klarzumachen, dass die Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln hervorragend sei. Nur das subjektive Empfinden wäre aufgrund der medialen Berichterstattung und der viralen Funktionsweise sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. ein Problem.
Derweil hat der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr aus Gelsenkirchen erste Ergebnisse seiner Arbeit vorgestellt: Nach der Kölner Silvesternacht hat das beim VRR angesiedelte Kompetenzzentrum Sicherheit, das in Nordrhein-Westfalen landesweit zuständig ist, Konzepte in die Wege geleitet, die jetzt konkrete Erfolge abbilden: Statt den Ball flach zu halten hat man sich der Problematik angenommen und ein umfassendes Sicherheitskonzept auf die Beine gestellt.
Verfügungsstreifen, bestehend aus drei Personen und einem Hund, sollten nach einem von außen nicht nachvollziehbaren System in den Zügen das Sicherheitsgefühl verbessern und im Falle von Straftaten Nothilfe leisten und Täter festhalten, bis die Polizei eintrifft. Auf den Hund musste man verzichten, da dieser im bis Mitte 2017 noch rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen politisch nicht mehrheitsfähig war.
Dafür hat man die dreiköpfigen Verfügungsstreifen dennoch eingeführt. Dabei spiegelt der diesjährige elfte ZeRP-Jahresbericht auch allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen wider, denn wie in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens, machen kriminelle Handlungen auch im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs nicht Halt. Bundespolizei und die Eisenbahnverkehrsunternehmen, die im Auftrag des VRR unterwegs sind, verzeichnen vermehrte Kriminalitätsdelikte unterschiedlichster Art.
Insbesondere verbale und tätliche Übergriffe auf das Personal der Eisenbahnunternehmen haben im letzten Jahr laut Bericht der Betreiber zugenommen. Ebenso liegen Diebstähle auf einem hohen Niveau. „Der VRR ist über die aktuellen Entwicklungen besorgt und hat bereits frühzeitig die Notwendigkeit erkannt, dass hier gegengesteuert werden muss. Insbesondere dem Einsatz von zusätzlichem Personal im SPNV kommt dabei eine Entscheidende Rolle zu“, sagt VRR-Vorstandssprecher Martin Husmann.
Mit seinen, vom Land NRW finanzierten Verfügungsdiensten Sicherheit setzt der Verbund bereits mehr und speziell ausgebildetes Personal ein und erhöht parallel verbundweit die Anzahl des Begleitpersonals in Fahrzeugen. Der VRR nutzt die Ergebnisse seines ZeRP-Jahresberichts, um daraus Trends und Tendenzen abzuleiten und das Sicherheitskonzept gemeinsam mit den Partnern der Polizei und Verkehrsunternehmen weiterzuentwickeln, um noch konsequenter entgegenwirken zu können.
Der Lagebericht enthält neben aktuellen Ergebnissen der jährlichen Kundenzufriedenheitsmessung und den Sicherheitsberichten der Partner auch die quantitativen und qualitativen Auswertungen der ZeRP-Datenbank hinsichtlich der Sicherheitslage im VRR-Gebiet. Der Anstieg der Meldung ist dabei auch im direkten Zusammenhang mit einem Anstieg des meldenden Personenkreises zu bewerten.
Derweil kritisiert Dennis Reichow bei der Allianz pro Schiene die Medien und ihre Berichterstattung: „Wenn zum Beispiel eine Regionalzeitung ein Posting zum „U-Bahn-Treter von Berlin“ macht, dann sind in dem Bericht sehr, sehr wenig greifbare Informationen drin. Oftmals bestehen solche Artikel ja nur aus einer Überschrift und einem kurzen Teaser-Text. Das bedeutet, man wird mit sehr wenig Informationen ausgestattet, hat aber gleichzeitig auch ein sehr präsentes Bild vor Augen.“
Reichow kritisiert, „dass die Medienberichterstattung über Delikte im ÖPV relativ willkürlich ist und die Realität gar nicht richtig widerspiegelt. In Wahrheit ist es nämlich so, dass sich die Sicherheit im ÖPV seit Jahren verbessert. Durch die Berichterstattung entsteht eine Verzerrung der Realität, die erhebliche Auswirkungen auf das Sicherheits- und Risikoempfinden der Menschen hat. Je mehr Massenmedien jemand konsumiert, desto wahrscheinlicher schätzt derjenige die Risiken im ÖPV ein und desto unsicherer fühlt er sich.“
Die Allianz pro Schiene scheint also mit anderen Zahlen zu arbeiten als der Gelsenkirchener VRR. Dennoch steht auch Dennis Reichow zur Pressefreiheit, auch im Zusammenhang mit Gewaltkriminalität im ÖPNV: „Wir haben in Deutschland die Pressefreiheit und Journalisten sollten natürlich das schreiben können, was sie für berichtenswert halten.“
Stefan Hennigfeld
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