(Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld
Das Wachstum des Carsharing-Marktes hat zuletzt nachgelassen – auch wenn mehr als zwei Millionen Menschen in Deutschland bei mindestens einem Dienstleister angemeldet sind. Der TÜV Nord hat sich nun mit den Ursachen befasst. Rationale Argumente für Carsharing gibt es viele: „Geld sparen, ein verlässlicher Parkplatz um die Ecke, nach Belieben Marke und Modell wechseln“, zählt die Psychologin Cornelia Nagel auf.
Und nicht zuletzt umweltfreundlicher zu leben: Laut dem niederländischen Umweltforschungsinstitut PBL in Den Haag fahren Carsharer insgesamt weniger Auto und verursachen so pro Person und Jahr 13 bis 18 Prozent weniger Kohlendioxid. Doch vielen geht es beim Carsharing nicht primär um die Umwelt. Wie ein Team von der ETH Zürich feststellte, werden stationäre Fahrzeuge vor allem von Selbstständigen genutzt, die im Alltag flexibel sein möchten.
Und auf freie Flotten greifen vermehrt junge Gutverdiener zurück, die schlecht an öffentliche Verkehrsmittel angebunden sind. Beide Gruppen zählen eher zur höheren Bildungsschicht und sind nach eigenen Angaben besonders offen für Innovationen – aber nicht außerordentlich umweltfreundlich. Wie wichtig vielmehr praktische Belange sind, zeigte auch ein Team der Universität Eindhoven.
Demnach steht und fällt die Entscheidung für Carsharing damit, ob ein Leihauto tatsächlich sicher verfügbar wäre. Forscher von der Erasmus Universität Rotterdam entdeckten aber noch einen weiteren, rein psychologischen Faktor: Viele Menschen wollten deshalb nicht auf ihr Auto verzichten, weil sie schlichtweg gerne ein eigenes haben möchten.
Legten Versuchspersonen gesteigerten Wert auf die eigenen vier Räder, waren sie auch wenig geneigt, Carsharing auszuprobieren, so das Ergebnis eines Experiments. Ob Kosten, Parkplatz oder die neuesten Modelle: Das alles fiel bei den Autoliebhabern weniger ins Gewicht. Deshalb dürfe man ihnen Carsharing nicht als Ersatz fürs eigene Gefährt anbieten, sondern als zusätzliche Option für den Fall, dass es mal nicht zur Verfügung stehe.
Verhaltensökonomen haben vielfach nachgewiesen, dass der Mensch sein Hab und Gut nicht rational bewertet. Wir schätzen den Wert von Dingen, die uns gehören, allein deswegen höher ein. In der Psychologie spricht man vom ‚Besitztumseffekt‘. Bekommen wir beispielsweise eine gänzlich unspektakuläre Tasse geschenkt, geben wir sie schon kurz darauf nicht mehr für denselben Preis her, den wir zuvor selbst noch für angemessen hielten.
„Der Effekt tritt auch dann ein, wenn uns etwas eigentlich gar nicht gehört, wir es aber als ‚zu uns gehörig‘ empfinden“, erklärt Cornelia Nagel. Am Steuer eines fremden Fahrzeugs zu sitzen, könnte deshalb einem neuen Besitzempfinden den Weg bahnen. „Es ist dann zwar nicht unser Eigentum“, sagt die Psychologin, „aber wir machen es uns emotional zu eigen.“ Testfahrten würden sich daher eignen. So passiert es, dass Menschen Dinge emotional für ihre eigenen halten, obwohl diese einen ganz anderen Eigentümer haben.
Stefan Hennigfeld
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