(Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Wie am vergangenen Wochenende bekannt geworden ist, hat Bahnchef Richard Lutz einen Brandbrief an seine Vorstandskollegen geschrieben, in denen er sich alarmiert über die aktuelle finanzielle Lage des Konzerns zeigt. Darin ist die Rede von einer „schwierigen Situation“, die sich während der zurückliegenden Sommermonate weiter dramatisiert haben soll. Dabei hat man offensichtlich davon profitiert, dass die öffentliche Debatte komplett an der DB AG vorbeigegangen ist.
Fluglinienbetreber standen im Sommer im Fokus der Politik, aber gerade nicht die DB AG. Umso wichtiger sei es, dass man „den Systemverbund Bahn“ stärke und zusammenrücke. Denn tatsächlich hat man auch gute Nachrichten zu vermelden: Im Tagesdurchschnitt sind heute 30.000 Fahrten mehr auf der Schiene unterwegs als im Sommer 2017. Wenn dennoch der Umsatz sinkt, dann muss das andere Ursachen haben: Sicherlich liegt es daran, dass gerade im Regionalverkehr oft Bruttoverträge gemacht werden.
Wenn also mehr Fahrgäste im Zug sind, hat der Aufgabenträger mehr Geld und nicht DB Regio. Falls die Züge überhaupt noch von DB Regio gefahren werden. Allerdings: Auch die zahlreichen Wettbewerbsbahnen sind Kunden von DB Netz und wenn diese erfolgreich sind und den Aufgabenträger dazu bringen, zusätzliche Leistungen zu bestellen, dann profitiert der DB-Konzern über die Infrastruktursparte natürlich mit.
Im Fernverkehr hat man darüber hinaus das Problem, dass durch die neue Preispolitik zwar durchaus Fahrgäste fahren, die noch vor einigen Jahren über Mitfahrzentralen unterwegs gewesen wären, aber niedrige Preise bringen natürlich nicht den gewünschten (und notwendigen) Umsatz mit sich. Das Ergebnis liegt „deutlich unter dem Vorjahr“ und auch deutlich niedriger als geplant. Darüber hinaus hat man sich in den Monaten Juni und Juli um weitere 160 Millionen Euro von der Zielmarke entfernt.
Das Geschäftsjahr wird also nicht gut. Und das vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die letzten Geschäftsjahre schon nicht gut war – auch wenn es zwischenzeitlich auf niedrigem Niveau Konsolidierungserfolge gegeben hat. Das bereits einmal reduzierte Ergebnisziel von 2,1 Milliarden Euro ist vor diesem Hintergrund akut gefährdet – und wird wohl auch nicht zu halten sein.
Das aber wiederum, so schreibt Richard Lutz an seine Kollegen, „würde unsere finanzielle Lage weiter destabilisieren und Vertrauen und Goodwill, die wir bei Eigentümer und Öffentlichkeit noch haben, zusätzlich beschädigen.“ Gerade im SPFV hat man mit Flixmobil eine neue Konkurrenz: Nicht mehr nur die Fernbusse sorgen für Probleme, sondern mit Flixtrain sind diese jetzt auch im Niedrigpreissegment auf der Schiene tätig – und scheinen dabei einen deutlich längeren Atem zu haben und professioneller aufzutreten, als es bisherige Konkurrenten gemacht haben.
In der angespannten finanziellen Lage ist auch das bisherige Mittel kaum noch möglich: Nämlich eine weitere Rabattschlacht anzuzetteln. So war die Sparpreisverfügbarkeit zwischen Leipzig und Berlin über Jahre besonders gut – auf der Hauptstrecke des inzwischen eingestellten Angebotes InterConnex.
Natürlich kann man solche Feststellungen nicht nachweisen, weil die Sparpreisverfügbarkeit stets ein strikt gehütetes Unternehmensgeheimnis der DB AG ist, aber nach allem, was aus der subjektiven Wahrnehmung übrigbleibt, ist exakt das passiert: Es wurden extrem billige Fahrscheine auf den Markt geworfen und auch aktionsmäßige Bahncard-Rabatte ohne Bahncard waren auf dieser Relation nicht selten
Am Ende hat es dem InterConnex den Hals gebrochen. Das dahinterstehende Unternehmen Transdev war nicht mehr in der Lage, das Angebot dauerhaft zu subventionieren. Überhaupt ist es ein Thema, wo die Sparpreisverfügbarkeit ist. Hier hat die DB AG einen mächtigen Hebel zur Marktsteuerung in der Hand – der allerdings auch im eigenen Konzern für Schwierigkeiten sorgen kann.
Dazu kommt ein weiteres Problem: Die Pünktlichkeit ist auf 76 Prozent abgerutscht – kein Allzeittief, aber ein schlechterer Wert als 2015. In diesem Jahr hat der alte Konzernvorstand das Projekt Zukunft Bahn, das auch unter dem Arbeitstitel Eisenbahn in Deutschland bekannt geworden ist, gestartet. Ziel war es, den Fokus des Konzerns wieder auf den inländischen Eisenbahnmarkt zu legen. Das ist nicht gelungen und noch immer scheint die deutsche Staatseisenbahn kein Patentrezept gefunden zu haben, um auf ihrem eigenen und angestammten Markt eine dauerhaft vernünftige Rolle zu spielen.
Stefan Hennigfeld
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