(Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Im Vorfeld der Innotrans ist es in der ÖPNV-Branche zu einer Diskussion zwischen dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und dem Fahrgastverband Pro Bahn gekommen. Die beiden Akteure haben unterschiedliche Ansichten zum Thema Open Data. Der VDV möchte nicht, dass die Verkehrsunternehmen verpflichtet werden, ihre als strikte Unternehmensgeheimnisse gehüteten Leitstellendaten zur Echtzeitauskunft für jedermann freizugeben. Erst recht nicht für mögliche Konkurrenten.
Bei Pro Bahn sieht man das anders und möchte im Sinne der Fahrgäste die größtmögliche Transparenz. Der VDV spricht sich gegen Pläne der Europäischen Kommission aus, Daten aus dem Geschäftsbetrieb öffentlicher Verkehrsunternehmen uneingeschränkt an Dritte, also auch an Wettbewerber, weitergeben zu müssen. Das sieht jedoch eine von Brüssel angestrebte Neuregelung der PSI-Richtlinie vor. Sie will neben Behörden auch öffentliche Verkehrsunternehmen zur Daten-Weitergabe verpflichten.
Dies sei ein gravierender Eingriff in die Märkte der Mobilitätsdienstleistungen. Es führe zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die Betreiber des ÖPNV, die zulasten der Fahrgäste und der kommunalen Eigentümer gingen. „Für jedes Unternehmen sind die Daten aus dem operativen Geschäft wichtige und wertvolle Grundlage, um Kunden zu gewinnen und Märkte zu erobern. Das ist für die Verkehrsunternehmen nicht anders als bei jedem anderen Unternehmen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass unsere Betriebe in der Regel einem öffentlichen Eigentümer, also z. B. einer Stadt oder einem Kreis, gehören”, erklärt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.
Es sei richtig, dass Behörden ihr Datenwissen grundsätzlich und umfassend der Allgemeinheit zur Verfügung stellen sollten. In Märkten jedoch seien Daten von hohem wirtschaftlichem Wert und müssten daher im Interesse der Unternehmen geschützt und genutzt werden. „Die Verkehrsunternehmen teilen in vielen Digitalisierungsprojekten bereits ihre Daten, meist in Kooperation mit anderen Mobilitätsdienstleistern, auf digitalen Plattformen, um dem Kunden immer mehr neue Angebote anzubieten“, so Wolff.
Beispielsweise werden Fahrplandaten und zunehmend auch Echtzeit-Daten aus dem Betrieb zur Verfügung gestellt. Dadurch entstünden Einnahmequellen, die entweder zum Kundennutzen oder in die Investitionen für die Digitalisierung fließen können. Die PSI-Richtlinie würde den Verkehrsunternehmen die Möglichkeit nehmen, ihre Angebote zu verbessern oder in neue digitale Geschäftsmodelle zu investieren. Den Schaden hätten letztlich die öffentlichen Aufgabenträger, wenn auf Grund des verzerrten Wettbewerbs und der fehlenden Einnahmequellen der Kostendeckungsgrad im ÖPNV sinke.
„Auch die Behauptung, dass die Daten, die in Verkehrsunternehmen entstehen, bereits durch die öffentliche Hand bezahlt seien, trifft nicht zu. Denn die wesentliche Finanzierung der Verkehrsunternehmen erfolgt aus Fahrgeldeinnahmen“, sagt Wolff. Letztlich könnten Drittanbieter dann agieren wie Suchmaschinen für Flüge oder Hotels.
Das jedoch hält man bei Pro Bahn für einen Vorteil – zumindest für die Fahrgäste, die im Mittelpunkt der Gesamtveranstaltung ÖPNV stehen. „Heute bietet in Deutschland jeder Verbund, gefühlt sogar jedes einzelne Unternehmen, eine eigene App an“ kritisiert Jörg Bruchertseifer, Tarifexperte bei Pro Bahn. „Seit Jahren kommen regelmäßig Versprechungen, dass das gelöst wird, die bisher bei uns Kunden aber nicht ankommt.“
Besonders wichtig ist dabei aber die Datenqualität. Die Pünktlichkeitswerte, die in den verschiedenen Apps angezeigt werden, müssen übereinstimmen und richtig sein – sonst sind sie wertlos. Die Deutsche Bahn hat gerade die Einstellung der App Zugradar angekündigt. Die Begründung: Mangelnde Datenqualität.
„Offensichtlich weiß man also selbst nicht genau, wo die Züge sind,“ stellt Lukas Iffländer, stellvertretender Vorsitzender des Fahrgastverbands fest. Das betrifft nicht nur die Echtzeitdaten, das Problem fängt viel früher an. „Ein schönes Beispiel sind Baustellenfahrpläne,“ erklärt Iffländer.
Dort kann man gelegentlich live beobachten, wie ein Zug nach dem Anderen aktualisiert wird. Es entsteht der Eindruck, dass da jemand eine Excel-Tabelle händisch in ein anderes System abtippt, was bei vielen Unternehmen tatsächlich der Fall ist. „Das man sich mit einer IT aus dem vorherigen Jahrhundert gegenüber den Unternehmen aus dem Silicon Valley chancenlos fühlt, überrascht nicht,“ ist für Iffländer klar.
Stefan Hennigfeld
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