(Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Die Deutsche Bahn plant eine umfassende Neuausrichtung des Konzerns. Insbesondere im Bereich des SPFV ist die Situation deutlich schlimmer als man bislang angenommen hat. So fehlt es gerade bei DB Fernverkehr an Personal und ein nicht geringer Teil der Züge ist in einem so schlechten Zustand, dass die Fahrzeuge kaum fahrbereit sind. Die Verspätungsproblematik tut ihr übriges dazu.
Der Aufsichtsrat des Konzerns ist daher letzte Woche Donnerstag und Freitag in Klausur gegangen und hat sich mit der Gesamtsituation befasst.Im Mittelpunkt der Beratungen standen insbesondere die Themen „Qualität und Service“, „Pünktlichkeit“ sowie „wirtschaftliche Entwicklung“. Unter dem Titel „Unsere Agenda für eine bessere Bahn“ stellte der Vorstand dem Aufsichtsgremium eine umfangreiche Analyse über die aktuelle Lage vor und präsentierte für die Bereiche Infrastruktur, Fern-, Nah- und Güterverkehr jeweils eine Reihe von Verbesserungsmaßnahmen.
Aufsichtsratschef Michael Odenwald: „Intensive Diskussionen liegen hinter uns. Der Vorstand hat eine Bestandsaufnahme vorgelegt. Die ‚Agenda für eine bessere Bahn‘ bietet Chancen, die Eisenbahn in Deutschland fit zu machen, damit die Schiene den Mobilitätsanforderungen der Kunden jetzt und in der Zukunft gerecht werden kann. Der Aufsichtsrat erwartet nun, dass die festgestellten Defizite beseitigt und sich ergebende Chancen zügig und konsequent angepackt werden – im Sinne unserer Kunden und Mitarbeiter.“
Die „Agenda für eine bessere Bahn“ analysiert unter anderem, dass das Spannungsfeld zwischen Chancen der Zukunft und Herausforderungen der Gegenwart bei der DB noch nie so groß gewesen sei. In den kommenden Jahren, so eine zentrale Schlussfolgerung, benötige der Systemverbund Bahn vor allem mehr Kapazitäten – bei der Infrastruktur, beim Personal und bei den Fahrzeugen sowie eine deutlich bessere Qualität.
Der Wettbewerberverband Mofair fordert indes eine politische Steuerung der DB AG. „Bahnpolitik ist ein Teil der Daseinsvorsorge. Sie darf nicht nur durch den Aufsichtsrat der DB vorentschieden werden. Wir brauchen viel mehr Transparenz und vor allem eine politische Debatte, wie das Bahnsystem stabilisiert und zukunftsfähig gestaltet werden kann“, so Verbandspräsident Stephan Krenz in der letzten Woche.
Krenz: „Mehr Geld für die Infrastruktur ist gut! Mehr Steuergelder für ein einzelnes Verkehrsunternehmen, das im heftigen Wettbewerb mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen auf der Schiene steht, ist schlecht: Es verzerrt den Wettbewerb massiv und schwächt damit das gesamte Bahnsystem. Und wenn man es einmal bis zum Ende denkt, dann ist es süßes Gift für die DB-Verkehrsunternehmen.“
Bereits im Vorfeld der Klausurtagung waren Einzelpunkte der 200seitigen Vorstandsvorlage an die Öffentlichkeit gelangt. Mofair sieht diese differenziert: So fordert die Deutsche Bahn deutlich mehr Geld für Infrastrukturerhalt und -ausbau und plant Modellprojekte für den neuen Mobilfunkstandard 5G. Diese Vorhaben begrüßt Mofair ausdrücklich, denn sie bringen dem gesamten Bahnsystem etwas.
Der DB-Vorstand fordert aber im gleichen Papier mehr Mittel für 200 neue Fernverkehrszüge, was der DB Fernverkehr AG massive Vorteile verschaffen würde. „Wir kritisieren die Art und Weise, wie wesentliche Entscheidungen zur Zukunft des Bahnsystems getroffen werden sollen,“ fährt Krenz fort: „Wir arbeiten als Branche gut und konstruktiv zusammen: Am Runden Tisch Baustellenmanagement, beim Projekt ‚Digitale Schiene Deutschland‘ oder jetzt im ‚Zukunftsbündnis Schiene‘“, so Krenz.
Dabei gehe es um nichts weniger als eine deutliche Verkehrsverlagerung auf die Schiene, um eine Verdopplung der Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Einige der dazu notwendigen Projekte würden viel Geld kosten. Da verwundere es schon, wenn nun durch Diskussion im Aufsichtsgremium eines einzelnen Unternehmens Milliardensummen hinter verschlossenen Türen vorab verteilt werden sollen. Bei Mofair hält man eine offene Diskussion für sinnvoll und notwendig.
Das gelte insbesondere im Rückblick auf den Herbst 2016: Damals hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages festgestellt, dass „wesentliche Ziele der Bahnreform nicht erreicht worden“ seien. Zwar billigte das Parlament seinerzeit die geplante Finanzspritze von mehr als zwei Milliarden Euro für die DB AG. Es band seine Zustimmung jedoch an einen ausführlichen Bericht zur Zukunft des Bahnsystems, der im Herbst 2017 erstattet werden sollte – was nie geschah.
Siehe auch:Die Eisenbahn ist nicht die DB AG
Stefan Hennigfeld
Redaktioneller Leiter
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